Die Schachpartie von Franz von Defregger

Der Genre-und Historienmaler Franz von Defregger wurde 1835 auf dem Ederhof in Stronach in Tirol geboren. Seine Eltern waren wohlhabende Bauern und der Sohn Franz erbte 1858 den Hof, den er jedoch nicht weiterbewirtschaftete, sondern nach zwei Jahren verkaufte, um nach Amerika auszuwandern. 

Die Auswanderungspläne platzten kurzfristig und stattdessen ging der künstlerisch begabte Defregger nach Innsbruck, um dort in das Atelier des Bildhauers Stolz einzutreten. Bald schon kam er nach München auf Empfehlung von Piloty. Von 1863 bis 1864 hielt Defregger sich zwar in der Kunstmetropole Paris auf,  dieser Aufenthalt änderte jedoch nichts an seiner Begeisterung für die volkstümliche Erzählweise im Genrebild. So lag ihm das Alltagsleben in seiner Tiroler Heimat besonders am Herzen. 

Längst schon wurde er gefeiert und war seit 1878 als Professor an die Akademie in München berufen worden, als er das vorliegende Werk "Die Schachpartie" im Jahre 1885 schuf.

Franz von Defregger
Schachpartie
Ausgestellt vom 11. März -24.April 1983 in der Städtische Galerie Rosenheim

Dargestellt ist der Blick in die Nische einer Bauernstube, in der sich eine städtisch gekleidete Dame und ein Mann in schwarzem Anzug mit weißem Hemd am Tisch bei einer Partie Schach gegenüber sitzen. Die beiden Spieler werden jeweils  von zwei rauchenden Männern unterschiedlichen Alters flankiert, die mit neugierigen Blicken die Spielzüge verfolgen. Der junge Mann mit der roten Mütze scheint einer Studentenverbindung anzugehören. Das Sujet des Schachspiels zwischen einer Dame und einem Herrn erstaunt, da der Betrachter in dem bäuerlichen Umfeld um 1885 eher zwei männliche Spieler erwartet hätte. 

Erst die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau im Jahre 1919 erlaubte beispielsweise auch Frauen den Besuch von Akademien. Dieses Werk von Defregger ist interessant, da der Künstler ganz dominant die Frau in den Bildvordergrund setzt, sie wirkt sogar körperlich ein wenig größer als ihr männlicher Gegner. Für die Gruppe scheint es eine ganz alltägliche Situation zu sein, denn jeder nimmt die Partie ernst und schaut konzentriert nur auf das Schachbrett. 

Eine kleine Allusion auf das "Anbandeln" zwischen Mann und Frau wird durch die linke Hand des Spielers evoziert, der seine Hand unter dem Tisch in gefährlicher Nähe zu der Dame positioniert hat. Vielleicht spielt Defregger auch zusätzlich mit dem alten Treuesymbol des Hündchens, das er neben den eifrigen Schachspieler auf die Bank gesetzt hat. Das Bild lässt einige Fragen offen, die zu erforschen wären. Gab es einen Auftraggeber? Ist die Szene gestellt oder hat sie sich tatsächlich so ereignet? 

Dr. Natascha Niemeyer-Wasserer