Page 7 - Schach und Musik GHS-Schachundkulturstiftung
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Vorwort zu Schach und MuSik


                                                 von Georg Schweiger


         D         ie Ausstellung Schach und Musik ist das fünfte   Arnold Schönberg überhaupt vernünftig oder praktikabel

                   Projekt der im August 2010 gegründeten
                                                             zu spielen? Warum lassen sich kaum Schachsets finden,
                   Schach-und Kulturstiftung G.H.S.
                                                             die Musiker oder Musikinstrumente als Figuren haben?
                     Sie befasst sich mit den vielfältigen Bezie-
          hungen und Verbindungen zwischen Schach und Musik.   Warum zeigen so viele Plattencover Schachmotive?
                                                               Sowohl Schach als auch Musik sind nicht eindeutig
          Angesprochen werden sollen nicht nur Schachspieler   zu fassen. Je tiefer man in diese beiden unerschöpf-
          oder Musikliebhaber, sondern Menschen, die im weites-  lichen Gebiete einsteigt, umso schwieriger wird eine
          ten Sinne kulturell interessiert sind und eine gewisse   einfache Antwort.
          Neugier und Offenheit zeigen, sich an Überraschendem   Wer sind überhaupt „die Schachspieler“? Ein bisher
          und Kuriosem erfreuen, noch staunen können und sich   nicht genügend erforschter, aber keineswegs unergie-
          einlassen auf ungewöhnliche Details.               biger Aspekt der Soziologie. Laut offiziellen Statistiken
            Das Projekt möchte Brücken schlagen zwischen an   gibt es ca.  90.000 Mitglieder in deutschen Schach-
          sich durchaus unterschiedlichen Bereichen, sie auf   vereinen, die in Turnieren und Meisterschaften sowie
          vielleicht verblüffende Weise miteinander verbinden und   Mannschaftskämpfen spielen, das Schach also als Sport
          vernetzen, Gemeinsamkeiten aufzeigen und ein Denken   bzw. Leistungssport betreiben.
          in Schubladen mit wohlsortierten Aufklebern überwinden.  Dies ist aber nur die Spitze des Eisbergs, wir dürfen
            Unser Ziel ist es, anspruchsvoll und trotzdem allgemein   nicht auf die Vereinsspieler fixiert sein, in Wahrheit
          verständlich zu sein, leichtfüßig, aber nicht oberfläch-  spielen Millionen von Menschen in Deutschland Schach,
          lich, beschränkt auf wenige Einzelheiten und dennoch   doch über die genaue Zahl kann selbst der Deutsche
          perspektivenreich.                                 Schachbund keinerlei Auskunft geben. Bei einer von
            Gezeigt wird die Ausstellung in einem Raum, der    der FIDE in Auftrag gegebenen Umfrage unter reprä-
          eigentlich kein Ausstellungsraum ist: Der Saal „Unterm   sentativ Befragten erklärten – auf Deutschland bezo-
          First“ wird multifunktional genutzt, sowohl vom Schach-  gen – 7%, dass sie täglich oder mehrmals die Woche
          klub als auch von der VHS mit ihren Kursen und der   Schach spielen, 17% wöchentlich oder monatlich und
          Musikschule, hier wird Schach gespielt und auch Musik   weitere 8% selten.
          geübt. Nicht nur zufällig: Mehrere Schachspieler unseres   Wie viele Menschen interessieren sich für die regel-
          Klubs haben sich manchmal vor dem Spielabend an das   mäßigen Schachkolumnen in den großen Tageszeitun-
          alte Klavier in diesem Raum gesetzt und erst auf schwarz-  gen (z.B. von Stefan Kindermann in der Süddeutschen
          weißen Tasten, dann schwarz-weißen Feldern gespielt.  Zeitung), für die Kolumnen in der Welt am Sonntag und
            Der Raum ist klein, aber das bietet auch Vorteile, die   im Zeit-Magazin von Helmut Pfleger? Es gibt durchaus
          Ausstellung will sich beschränken, sie ist „klein, aber   viele Leute, die in keinem Schachverein sind, fast nie
          fein“,  eine  kleine  Wunderkammer  mit  wenigen,  aber   spielen, aber diese Schachspalten interessiert ver-
          unerwarteten Objekten – nicht „mainstream“, sondern   folgen. Niemand kennt die Zahl dieser doch auch an
          frisch  und  anregend  mit  bislang  eher  Unbekanntem   Schach Interessierten.
          oder noch nie Gezeigtem.                             Offensichtlich werden viele Schachpartien in Familien
            So ergeben sich offene, ungelöste Fragen: Wie ist das   (häufig Großeltern mit Enkeln), im Freundeskreis oder
          Musikalische Schachspiel (1852) von G. Gompertz, eine   zunehmend im Internet gespielt. Primär dürfte es dabei
          bisher noch nie öffentlich gezeigte Leihgabe aus dem   aber eher um gesellige, geistreiche Unterhaltung gehen,
          Bayerischen Nationalmuseum, für den Klavierunter-  nicht so sehr um das Kompetitive, das auch keine Rolle
          richt einzusetzen? Wie ist das Koalitionsschach von    spielt bei all denen, die sich ohne Spielpartner mit

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