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Schachautoren Heinrich von Beringen (14. Jhdt), Konrad   Stände und ihre Rangordnung untereinander. Ingold
          von Ammenhausen, der Pfarrer zu dem Hechte (14. Jhdt)   nennt als einziger der mittelalterlichen Schachbuchauto-
          und Meister Stephan, der französische Dominikaner Jean   ren eigens auch die niedere Geistlichkeit und ordnet sie
          Ferron, Jean de Vignay (ca. 1280 - 1340), William Caxton   den ‚Venden‘ (niedrigster Stand) zu. Die einzelnen Spiel-
          (1422 - 1491) und Jacob Mennel (ca. 1460 - ca. 1525).   situationen sind sinnbildliche Kritik der Beziehungen
            „Die andere Gruppe der ‚Leutprediger‘, die radikal   und  Auseinandersetzungen unter den Ständen.  Als
          für die Armen und Unterdrückten eintrat oder die das   Quelle nennt Ingold das Schachbuch des Jacobus de
          Weltende nahe sah, verwarf alle Spiele – damit auch das   Cessolis, das er in der deutschen Bearbeitung Konrads
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          Schach – als Teufelswerk und Ablenkung von Gott.“  von Ammenhausen gekannt haben dürfte.“
            Beliebte und oft variierte Themen waren das Spiel des   Zeitweise gingen die Widersacher des Schachspiels
          Menschen mit dem Satan um seine Seele, was auch beim   sehr aggressiv vor. Der Mönch Johannes von Capistrano
          Faust thematisiert wird, und das Spiel des Menschen   (1386 - 1456) ließ am 10. August 1452 in Nürnberg mehr
          mit dem Tod.                                       als zweitausend Würfel und 3612 Spielbretter auf einen
            Im Spiel mit dem Tod gibt es für keinen Menschen   Scheiterhaufen werfen. Zwei Jahre später soll sich der
          eine Chance, was die prinzipielle Gleichheit aller Men-  gleiche Vorgang in Magdeburg wiederholt haben.
          schen verdeutlicht. Der Tod sagt allen Menschen Schach   In Florenz errichtete der Dominikanerprior Girolamo
          und Matt. Das Beinhaus wurde mit dem Spielkasten   Savonarola (1452 - 1498) an der Spitze einer Volks  be we-
          verglichen: So wie alle Schachfiguren in die gleiche   gung ein theokratisch-demokratisches Regime. Als leiden-
          Kiste kommen und der König sogar zuunterst zu liegen   schaftlicher Buß- und Strafprediger ließ er am 7. Februar
          kommen kann, lassen die menschlichen Gebeine keinen   1497 und am 17. Februar 1498 auf einem Berg von Luxus-
          Unterschied mehr zwischen den Menschen verschiede-  gütern Schachfiguren und Schachbretter mitverbrennen.
          nen Standes erkennen.                                 Wirklich bekämpfen ließ sich die Spielleidenschaft
            Das Schachspiel wurde von seinen Gegnern dem Hoch-  dadurch nicht. Im Nördlinger Stadtarchiv lagert ein ein-
          mut zugeordnet, weil der, der es besser zu spielen ver-  maliges Schreiben der Gesellschaft des Schaffzabelspiels
          mochte, sich dessen rühmte und                                              zu Heidelberg, worin die
          besser als andere zu sein meinte.                                           Nördlinger Schachfreunde
            1472 erschien in Augsburg das                                             zu einem Turnier, das am
          erste vorrangig der Schachmora-                                             21. September 1467 in
          lis  tik gewidmete Werk von Meis-                                           Heidelberg stattfinden soll-
          ter Ingold. Wer dieser Meister                                              te, eingeladen werden. Zehn
          Ingold war, ist ungeklärt.                                                  Jahre später fand 1477 in
            „In seinem Goldenen Spiel                                                 Nürnberg ein ähnliches
          (entstanden wohl 1432/33) setzt                                             Schachturnier im Rahmen
          Ingold  7  Spiele  den  7  Haupt-                                           eines großen Volksfestes zu-
          sünden gegenüber: das Schach-                                               sammen mit einem Pferde-
          spiel der Hoffart, das Damespiel                                            rennen und einem Preis-
          der Völlerei, das Kartenspiel der                                           schießen statt. Man kann
          Unkeuschheit,  das Würfelspiel                                              davon ausgehen, dass diese
          der Habgier, das Kugelspiel dem                                             nicht die einzigen derarti-
          Zorn,  das Tanzen  der Trägheit,                                            gen Veranstaltungen waren.
          das Saitenspiel dem Neid und
          dem  Hass.  Der  größte  Teil  ist
          dem Schachspiel gewidmet. Bei                                               Schachspiel mit dem Tode –
          diesem Spiel repräsentieren be-                                             Kupferstich von einem
                                                                                      Schüler Martin Schongauers
          stimmte Figuren verschiedene                                                (um 1445 - 1491).

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